Warum ich mich von Instagram verabschiedet habe – Eine kritische Reflexion über Social Media & die Coaching-Welt
- Ramona

- 25. Nov. 2024
- 6 Min. Lesezeit
Im Sommer 2024 habe ich eine Entscheidung getroffen, die lange in mir gereift ist: Ich habe die Instagram App auf meinem Iphone gelöscht. Nach sieben Jahren intensiver Nutzung – privat sowie beruflich – war der Moment gekommen, mich von dieser Plattform zu verabschieden.
Dieser Schritt war keine spontane Laune, sondern das Ergebnis eines langen Prozesses, in dem ich nicht nur Social Media, sondern auch die Coaching-Branche und meine eigene Rolle darin hinterfragt habe.
Vom Verbinden zum Vergleichen
Als ich Instagram entdeckte, war es ein Ort der Inspiration und Verbindung. Ich habe Freundschaften geschlossen, spannende Einblicke in das Leben anderer gewonnen und selbst meinem Leben geteilt.
Doch mit der Zeit veränderte sich etwas. Was einst ein Raum für authentische Verbindungen war, wurde zum Wettkampf:
Wer hat den schönsten Feed?
Wer zeigt das spannendste Leben?
Wer sammelt die meisten Likes?
Aus Freude wurde Druck, aus Verbindung wurde Vergleich.
Der Fokus echten Mehrwert zu bieten, verblasste. Ich rutschte in ein Hamsterrad aus Posten, Analysieren und Optimieren. Was früher nach Austausch und Kreativität aussah, wurde ein ewiges Streben nach Perfektion.
Ständige Unruhe – Die Wirkung von Social Media auf unser Nervensystem
Social Media ist wie ein unendlicher Strom an Reizen: Bilder, Videos, Texte, Stories – alles prasselt in einer nicht enden wollenden Flut auf uns ein. Instagram lebt davon, dass wir immer weiter scrollen, liken und interagieren. Doch was passiert dabei mit uns – genauer gesagt, mit unserem Nervensystem?
Für mich fühlte sich Instagram irgendwann an wie ein permanenter Alarmzustand. Diese Plattform lebt von einem „höher, weiter, schneller“-Prinzip: Wer mehr postet, bekommt mehr Sichtbarkeit. Wer mehr Interaktion erzeugt, bleibt relevant. Doch genau diese Dynamik ist Gift für unser Nervensystem, das eigentlich nach Balance und Langsamkeit strebt.
Die Folge war eine innere Unruhe, die mich oft schon am Morgen überfiel. Noch bevor ich richtig wach war, griff ich zum Smartphone, um zu schauen, was ich über Nacht „verpasst“ hatte. Dieser ständige Drang, immer auf dem Laufenden zu sein, immer zu wissen, was die anderen machen, war für mein System pures Chaos.
Mehr bei mir, weniger Ablenkung
Seit ich nicht mehr auf Instagram bin, habe ich etwas zurückgewonnen, das ich lange vermisst habe: mich selbst. Die ständige innere Unruhe, etwas zu verpassen, ist weg.
Statt mich durch unzählige Storys und Posts zu scrollen, rede ich wieder mehr mit Menschen – realen Menschen, nicht mit meiner Smartphone-Kamera.
Und weißt du was? Ich verpasse rein gar nichts. Über die wirklich wichtigen Dinge bin ich nach wie vor informiert. Alles andere? Unwichtig.
Social Media und die Flut an Trends
Social Media Plattformen sind oft ein Ort, an dem man ständig dem nächsten großen Trend hinterherjagt.
Von tanzenden Reels bis zu perfekten Karussell-Posts – es ging immer darum, sich anzupassen. Die Plattform gibt vor, was „funktioniert“ und was nicht.
Ich begann mich zu fragen:
Wie sehr richte ich meine Inhalte nach dem aus, was gerade angesagt ist?
Wie viel von meinem Content entsteht wirklich aus meinem Herzen, und wie viel davon ist nur ein Versuch, den Algorithmus zufriedenzustellen?
Diese Erkenntnis war ernüchternd. Es ging nicht mehr darum, authentisch zu sein, sondern darum, sich an ein System anzupassen, das permanente Veränderung und Anpassung verlangt.
Die Coaching-Welt im Fokus
Während ich Social Media hinterfragte, begann ich auch, meine eigene Branche mit kritischen Augen zu betrachten. Zu vieles, was ich sah, fühlte sich nicht mehr stimmig an.
Coaching auf Instagram wurde immer mehr zu einer Inszenierung. Es ging nicht mehr nur darum, Menschen auf ihrem Weg zu begleiten, sondern oft darum, das eigene Leben als Erfolgsgeschichte zu vermarkten. Das Privatleben wurde zur Verkaufsstrategie, jeder noch so kleine Alltagsmoment zur Instagram-Story.
Früher war Social Media einmal ein Ort der Verbindung. Ein Platz, um Gleichgesinnte zu treffen, Freundschaften zu knüpfen und Inspiration zu finden. Doch in den letzten Jahren hat sich etwas verändert:
Beziehungen fühlen sich oft oberflächlich an, weil alles in der Geschwindigkeit von Storys und Reels passiert.
Authentizität wird durch Perfektion ersetzt
Der Fokus hat sich von „helfen“ zu „verkaufen“ verschoben
Überall begegnete ich den gleichen Phrasen: „10k-Monat“, „Soul-Aligned Business“, „High Vibes Only“. Dazu ein Hauch von Drama, wenn Merkur mal wieder rückläufig war, und eine ordentliche Portion vermeintlicher Exklusivität mit Angeboten, die nur für 24 Stunden verfügbar waren.
Ich stellte mir die Frage: Wollen wir wirklich so arbeiten? Ist das der Kern von Coaching – oder ist es nur eine perfekte Inszenierung für Social Media? Ist das noch das, was ich tun möchte? Will ich mein Leben zur Schau stellen, um Kund*innen zu gewinnen? Will ich Teil eines Systems sein, das mehr auf Masse als auf echten Verbindungen setzt?
Will ich das in fünf Jahren noch machen? Jeden Tag vor der Kamera stehen, jeden Tag „Hallo, ihr Lieben!“ sagen?
Ein Vergleich mit der Vergangenheit
Meine Zweifel führten mich zu einem Gedankenspiel: Was war eigentlich vor Instagram, Facebook und Co.?
Ich erinnerte mich an Plattformen wie ICQ und MeinVZ, die wir irgendwann hinter uns gelassen haben. Damals schien es unmöglich, ohne sie zu leben, doch heute sind sie kaum mehr als eine nostalgische Erinnerung. Warum sollten wir also glauben, dass Instagram unersetzlich ist?
Auch die heutige Social-Media-Kultur erinnert mich an „Big Brother“ aus den frühen 2000ern: Wir schauten durch ein virtuelles Schlüsselloch ins Leben anderer – damals inszeniert für die Kamera, heute freiwilig geteilt auf Instagram. Doch was unterscheidet das Leben anderer heute wirklich von einem Reality-Format?
Reizüberflutung und FOMO
Ein weiterer Punkt, der mich immer wieder beschäftigt hat, war die schiere Reizüberflutung, die Instagram mit sich brachte. Von Morgenroutine-Posts über Verkaufsangebote bis hin zu Urlaubshighlights – die Plattform ließ keine Ruhepausen zu.
Gleichzeitig war da die Fear of Missing Out (FOMO): Die ständige Angst, etwas zu verpassen.
Was posten die anderen?
Welche neuen Trends gibt es?
Welche Angebote sind gerade live?
Dieses Gefühl hielt mich oft länger in der App, als mir lieb war.
Das Scrollen durch Instagram war mir oft nicht einmal bewusst, sondern fast schon automatisiert. Doch die ständige Reizüberflutung ließ keinen Raum für Stille, für das Hier und Jetzt. Mein Nervensystem kam nie zur Ruhe. Stattdessen fühlte ich mich immer gehetzter und gleichzeitig leerer.
Dabei liebt unser Nervensystem die Langsamkeit. Es braucht Ruhephasen, um sich zu regulieren und wieder in Balance zu kommen. Doch Social Media Plattformen sind genau das Gegenteil davon. Es ist ein Ort, an dem alles immer schneller, lauter und spektakulärer wird.
Für mich war das irgendwann nicht mehr tragbar. Es fühlte sich an, als hätte ich mein Leben auf ein Laufband gestellt, das sich immer schneller dreht – bis ich schließlich merkte, dass ich abspringen musste, um nicht zu stürzen.
Ein Ausstieg als Befreiung
Als ich im Sommer mein Instagram-Konto löschte, war das eine Befreiung. Es war, als hätte ich die Lautstärke in meinem Kopf runtergedreht. Kein Scrollen, kein Vergleichen, keine Angst mehr, etwas zu verpassen, keine künstliche Dringlichkeit mehr.
Stattdessen war da Platz für echte Fragen: Was möchte ich wirklich? Wo will ich meine Energie investieren?
Ohne Instagram spüre ich eine neue Leichtigkeit. Mein Nervensystem kommt zur Ruhe, mein Alltag ist bewusster. Die Langsamkeit, die ich so lange vermisst hatte, ist zurückgekehrt.
Ein überraschender Nebeneffekt: Mein Konsumverhalten hat sich verändert. Ohne die ständige Flut von Werbeanzeigen und Influencer-Empfehlungen fühle ich mich nicht mehr gedrängt, „diesen einen Kurs“, „diese eine Tasche“ oder „diesen einen Launch“ mitzumachen.
Stattdessen investiere ich meine Zeit und Energie in mich, meine Familie und meine Kunden. Ich bin weniger am Handy – und mehr im Leben.
Zurück in der Realität
Seit ich Instagram gelöscht habe, fühle ich mich freier. Mein Alltag ist entspannter, mein Fokus klarer. Ich habe wieder mehr Zeit, um mich mit echten Menschen zu unterhalten, ohne ständig an den nächsten Post denken zu müssen. Und ja – ich lebe immer noch. :)
Ich teile diese Gedanken nicht, um Social Media oder die Coaching-Branche schlechtzureden. Beide bieten Chancen und Möglichkeiten. Aber sie fordern uns auch heraus, unsere Beziehung zu ihnen kritisch zu hinterfragen.
Ich teile meine Gedanken, weil ich glaube, dass viele von uns ähnliche Erfahrungen machen – und vielleicht noch nicht bemerkt haben, wie stark Social Media ihr Leben und ihr Nervensystem beeinflusst.
Für mich war der Ausstieg aus Instagram ein Schritt zurück zu mir selbst. Es war die Entscheidung, meinen eigenen Weg zu gehen – ohne Algorithmen, ohne Trends, ohne Vergleiche. Es war eine bewusste Entscheidung für ein langsameres, achtsameres Leben.
Was ich dir mitgeben möchte
Diese letzten drei Monate haben mir gezeigt, dass weniger oft mehr ist. Weniger Ablenkung, weniger Vergleiche, weniger Reize – dafür mehr Raum, um einfach zu sein.
Vielleicht brauchst du keinen radikalen Schnitt, aber ein bewusster Umgang mit dieser Welt kann dir helfen, wieder bei dir anzukommen.
Ich lade dich ein, deine eigene Beziehung zu Social Media zu hinterfragen.
Wie beeinflusst Social Media dein Leben, deine Gedanken und dein Nervensystem?
Tut es dir gut? Oder fühlt es sich eher wie eine Verpflichtung an? Kostet sie dich mehr, als sie dir gibt? Gibt es Wege, die sich für dich leichter, echter und nachhaltiger anfühlen?
Das Leben wartet da draußen – im Hier und Jetzt - abseits von Storys und Posts.



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